fds: Austritte und starke Kritk

Kurz vor ihrem wegweisenden Bundestreffen verdichtet sich die Kritik am Forum des Demokratischen Sozialismus (fds) von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern. Wir dokumentieren die Erklärungen und Begründungen von zwei Beispielen, die zu denken geben.

Von K. Haese:

„Lieber Stefan, liebe Luise, lieber Bundesvorstand des fds,

hier mit beende ich meine Mitgliedschaft im forum demokratischer sozialismus (fds). Ich will diesen Schritt nach über 12 Jahren nicht unbegründet lassen.

Innerhalb der bestehenden Gesellschaft eine Minderheit zu sein und darin zu leben, zu arbeiten, politisch zu wirken, auf unterschiedlichen Ebenen ist nicht nur Alltag und nicht immer ein Spaziergang. Und dennoch und um das Wissen darum war es immer mein politisches Streben und mein Engagement, mit und für die Partei die bestehenden Verhältnisse zu verändern, zum besseren für die Menschen zu wenden. Für mich gehört eine pragmatische zukunftsorientierte linke Reformpolitik -ohne wenn und aber- dazu. Denn ohne eine transformatorische Perspektive ist keine Veränderung möglich oder gar eine Zukunft für die kommenden Generationen zu gestalten.

Damit war lange Zeit das fds für mich ein Ankerpunkt, ein gemeinsamer Ansatz. Ziel war es für mich dabei, wesentliche Potenziale und Erfahrungen zu bündeln und die notwendigen reformpolitischen Projekte daraus erwachsen zu lassen. Es als Angebot in die Partei einzubringen, mit der Partei zu verbinden und darüber gesellschaftlich zu wirken. Das fds als integrierende Kraft, innerhalb der Partei. Dass diejenigen Protagonist*innen, die das fds nach außen und innen vertreten, dann auch die Pluralität, die Vielfalt, aber auch die Differenz innerhalb der Partei als Bereicherung empfinden, repräsentieren und in der Lage sind, auf der Basis der Akzeptanz und Wertschätzung der vielfältigen Herkunft und Erfahrungen, die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen – und dies nicht nur aufgrund hegemonialer Interessensdurchsetzung.

Aber leider fand ich davon zunehmend weniger im fds und kaum noch Anknüpfungspunkte. Ich habe mich zu lange arrangiert, es tangierte mich mal mehr, mal weniger, es berührte mich nicht mehr, vieles machte mich ärgerlich, doch ich schwieg und vielleicht war das auch mein Fehler. Ja, es gibt harte Zeiten, da muss Mensch für einander einstehen. Zusammen in einer Strömung kann das sinnvoll sein. Aber eine reine Reduktion nur aufgrund der historischen Wurzeln oder allein auf die Fokussierung von Machtverteilungs-, Machterhaltungs- oder Machtverschiebungsinteressen bringt die Partei nicht weiter und macht sie gar überflüssig. Ich brauche keine Partei in der Partei, deren Lebenselixier die Differenz zur Partei selbst ist. Eine Struktur, die sich als innere Partei vornehmlich auf Personalien konzentriert – im positiven wie im negativen Sinne. Das politische Scheitern von Dominic hätte nicht passieren dürfen, er hätte nicht in diese Gefahr hinein getrieben werden dürfen. Zum Schaden von ihm und der Partei insgesamt, das bedaure ich sehr.

Insgesamt besteht m.E. in unserer Partei keine grundsätzlich zugespitzte politisch inhaltliche Auseinandersetzung, die das zurückliegende Agieren so rechtfertigen könnte. Es ist keine Situation des großen Flügelschlagens, wie noch vor dem Erfurter Parteitag oder gar Göttingen. Manche empfinden die derzeitige Entwicklung der Linken und der Vorsitzenden insgesamt als politischen Stillstand. Aber eigentlich haben wir eine schwelende Situation innerhalb der Partei. Es ist eine abwartende, lauernde und zudem von Misstrauen geprägte Situation, die die gemeinsame Arbeit in der Partei insgesamt behindert. Zudem schieben die Strömungen schon lange keine inhaltlich bereichernden oder gestaltenden Debatten mehr an, sondern verkämpfen sich in einer absonderlichen Strömungsarithmetik. Der Diskurs wird nicht geführt, sondern jede*r möchte recht behalten. Das Verbindende in der Partei wird nicht gesucht, nicht definiert – von Wirksamkeit der eigenen politischen Selbsteinschätzung mal ganz abgesehen. Der machtpolitische Tauschbasar zwischen den Strömungen zerreibt die Partei, um den Preis der Partei insgesamt.

Aber ich möchte diesen Preis nicht zahlen, ich möchte die Chance wahrnehmen, das Verbindende in der Partei politisch wirksam zu machen und nach vorn auflösend zu gestalten. Doch dies kann ich nicht als Teil eines Flügels. Denn es kann derzeitig daraus für mich nichts Positives erwachsen.

Mit linksreformistischen Grüßen

Katja Haese

Berlin, den 26.Mai 2014″

Thomas Falkner: „Ist es dann richtig, sich die politische (Un-)Kultur von anderen 
aufzwingen zu lassen – oder sollte man gerade dann auf die eigene politische Kultur 
besonderen Wert legen?“ http://thomasfalkner.de/fragen-fds_juni2014.pdf

„Liebe Anhängerinnen und Anhänger des fds –

vor gut zwei Jahren habt Ihr mich in den Vorstand des forums demokratischer sozialismus
gewählt. Im Herbst letzten Jahres bin ich still und leise dort ausgeschieden und im letzten
Monat ebenso still und leise aus dem fds ausgetreten. Wir werden uns also zum
außerordentlichen Bundestreffen nicht sehen.

Ich habe bisher auf eine öffentliche Begründung meiner Entscheidung verzichtet, weil ich –
noch dazu in Wahlkampfzeiten – weder dem fds noch der LINKEN insgesamt schaden wollte.
Das will ich auch jetzt nicht. Aber die Zuspitzung der innerparteilichen Auseinandersetzungen,
die DIE LINKE wohl erneut in eine Krise und in eine Zerreißprobe führen, veranlassen mich
wenigstens zu einer Sache: Euch die Fragen zu nennen, die mich in den letzten beiden Jahren
(und zuvor) bewegt und die zu meiner Entscheidung geführt haben.

1. Als was sieht sich das fds in der Partei? Darüber wird viel erzählt – die eigentliche Frage
aber ist: Partei in der Partei? Gar Partei gegen die Partei? Oder Teil der Partei, mit
einem spezifischen, ergänzenden Beitrag zum Vorankommen aller? Torsten Löser
argumentiert in seinem Block zugunsten des letzteren. Aber so lange die beiden ersten
Fragen nicht klar gestellt und vor allem entsprechend beantwortet sind, bleiben solche
Appelle vermutlich wirkungslos.

2. Beantworten kann man die Fragen nur vor dem Hintergrund einer zutreffenden
Analyse der Situation in der Partei. Hat Göttingen einen Wandel zum Besseren
gebracht – oder nicht? Ist es gar in der Partei noch schlimmer geworden, weil Dietmar
Bartsch nicht Vorsitzender geworden ist? Hat es eine Emanzipation vom
“Lafontainismus” gegeben, hat sie zumindest begonnen – oder nicht? Ich persönlich
halte Göttingen und die Zeit danach für eine Wende in der Partei – und zwar mit der
klaren Chance zum Besseren. Der Chance zum Besseren. Nur wenn man sie ergreift,
wenn man sie nutzt, wird es auch besser. Deswegen haben die Vorsitzenden und der
BGF meine eindeutige Unterstützung und Loyalität. Loyalität im übrigen erweist sich
gerade in heiklen Situationen. Es dient niemandem, wenn aus egoistischen Gründen
heikle Situationen ausgeschlachtet, zugespitzt oder sogar erst geschaffen werden.

3. Mit den beiden ersten Fragen hängt die dritte eng zusammen: Wenn das fds sich
politisch verhält – geht es dann vor allem um dessen Eigeninteressen als Struktur in
der Partei oder um Impulse für die Partei als Ganzes? Es ist schon für eine Partei als
Ganzes schwierig, wenn sie sich ausschließlich auf “Markenkerne”,
“Alleinstellungsmerkmale” o.ä. reduziert – wie ist das dann für eine innerparteiliche
1 Strömung, Struktur, Formation? Stärkt eine solches separates Eigeninteresse die
gesamte Partei und die eigene Position in der Partei – oder führt es letztlich in die
Isolation und aus der Partei heraus? Wenn aus der Partei heraus: Wohin und in
welcher Stärke? Ich erlaube mir den ganz persönlichen Hinweis, dass ich trotz aller
auch öffentlichen Spekulationen nach wie vor Mitglied der LINKEN bin.

4. Es ist in den Analysen des fds viel von Stigmatisierung die Rede. Nun muss mir keiner
erzählen, was es in den letzten Jahren bedeutet hat, wenn man eine Position abseits
von oder im Gegensatz zu tonangebenden Kräften in der Partei bezogen hat. Die Frage
ist doch aber: Ist es dann richtig, sich die politische (Un-)Kultur von anderen
aufzwingen zu lassen – oder sollte man gerade dann auf die eigene politische Kultur
besonderen Wert legen? Hat das fds diese Herausforderung gemeistert? Oder neigt es
zu fröhlicher, auch überheblicher Abschottung und Selbstisolation? Ist das ein
geeigneter Weg, den eigenen Einfluss auf die Partei zu erhöhen? Ich möchte nur auf
meine persönliche Erfahrung verweisen, dass ich seit etwa zwei Jahren in der Partei
bei weitem nicht mehr die Ausgrenzung und Stigmatisierung erlebe, mit der in den
Jahren zuvor fertig werden musste. Man kann miteinander reden, man hört einander
wieder zu – über die Strömungen hinweg und ohne Selbstverleugnung. Das ist meine
Erfahrung. Eine letzte Frage in diesem Zusammenhang: Warum hat das fds nicht die
Kraft gefunden, ein klares Wort zu dem unsäglichen “Liederbuch” vom Werbellinsee
zu sprechen? Wie verhält sich das Tabu in dieser Frage zu den aktuellen Attacken auf
das Klima in der Partei insgesamt, die von als fds-nah geltender Seite kommen?

5. Torsten Löser verweist in seiner wichtigen und vorwärts weisenden Analyse zu Recht
auf die Vorgeschichte des fds. Ich will eines ergänzen: Hat das fds genug dafür getan,
die Entwicklung zu verstehen, die die Reformerinnen und Reformer zunächst die
Hegemonie in der PDS gekostet haben, sie dann zur Minderheit in der neuen Partei
und schließlich in die Gefahr geführt haben, zum erodierenden bösen Häuflein am
Rande der LINKEN zu werden? Vorstöße und Angebote für eine solche kritische
Selbsteinschätzung der Reformerinnen und Reformen hat es durchaus gegeben. Sie
waren auch kaum zu überhören. Haben sie für das fds eine Rolle gespielt? Selbst wenn
sie unzureichend waren – hätte dann das fds nicht erst recht nach Wegen suchen
müssen, diese Fragen für sich zu beantworten und vor allem Schlussfolgerungen zu
ziehen?

Liebe Genossinnen und Genossen – ihr mögt diese Fragen teilweise für Zumutungen halten.
Oder für neben der Spur. Oder für sonst etwas. Aus meiner Sicht ist das so: Sie stehen – und
sie finden ihre Antwort. Auch und gerade dann, wenn das fds sich nicht dazu verhält, wenn es
sie zum Tabu erklärt. Nur: Dann kommen die falschen Antworten dabei heraus. Und das ist
schade. Und es ist schädlich für das politische Anliegen, das wir weiter teilen sollten.

Mit solidarischen Grüßen -„